Ein Mitglied legte uns eine Abmahnung von RA Kilian Lenard für IG Datenschutz vor. Als Webseitenbetreiber soll er 170 EUR zahlen, da laut des Schreibens Google Fonts nicht datenschutzkonform eingebunden sein soll. Wir beleuchten in unserem Beitrag die Themen Google Fonts, die wichtigsten Urteile, die Abmahnung selbst und wie sich Empfänger bei Erhalt verhalten sollten.
Am 21.12.2022 wurde in einer Pressemitteilung der Strafverfolgungsbehörden Generalstaatsanwaltschaft Berlin bekannt gegeben, dass gegen einen 53‑jährigen Rechtsanwalt Kilian Lenard (Berlin) und dessen 41‑jährigen Mandanten Martin Ismail, dem angeblichen Repräsentanten einer „IG Datenschutz“, ermittelt wird. Es besteht der Verdacht des versuchten Betrugs und der versuchten Erpressung in mindestens 2.418 Fällen. Quelle: Berlin.de
Das Thema Datenschutz ist bereits seit einigen Jahren ein heißes Thema. Spätestens mit der Einführung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO oder DS-GVO) im Jahre 2016 durch die Europäische Union hat sich der Umgang mit personenbezogenen Daten geändert. Unternehmer und Firmen sind in der Pflicht, das Thema Datenschutz ernst zu nehmen und demnach zu handeln. Doch dieses Vorhaben könnte durch dein Einsatz digitaler Dienste massiv erschwert werden. Die Corona-Pandemie forderte viele Unternehmen heraus, ihre Angebote und Dienstleistungen digital anzubieten; dazu wurden Dienste wie Google, Zoom und mehr eingesetzt.
Doch wer erhält Zugriff auf unsere Daten? Um welche Daten handelt es sich hierbei überhaupt? Besonders Anbieter von Digital-Services in den USA oder Asien machen es den europäischen Internetnutzern nicht einfach, die Weitergabe unserer Daten nachvollziehen zu können. Oder wissen Sie, welche Daten durch Ihren Tweet, ihr Selfie oder einen Skype-Videocall erhoben und weitergeleitet werden?
Angesichts des Digitaldschungels stellt sich die Frage: sind unsere Daten auch sicher?
Im Jahr 2021 verfügten laut Statistischem Bundesamt 66 Prozent der Unternehmen in Deutschland über eine Website. Ein geeigneter Weg, um die eigenen Angebote und Kontaktdaten für Kunden zur Verfügung zu stellen. Um die jeweilige Webseite nutzerfreundlich auf den heimischen PCs und Smartphones darzustellen, eigenen sich verschiedene digitale Dienste von Anbietern wie Google, die u.a. diverse Schriftarten zur Einbindung anbieten. Bekannt als „Google Fonts“ lässt sich der Dienst in einfachen Worten so beschreiben: die gewünschte Schriftart (Times New Roman, Arial, etc.) wird auf der Webseite eingebunden, die entsprechenden Dateien liegen aber auf den Google-Servern.
Das hat den Vorteil, dass die Seite auf jedem Gerät genau so dargestellt wird, wie es vom Betreiber gewünscht ist. Anstatt das jedes Endgerät sämtliche Schriftarten (Fonts) vorinstalliert haben müsste, werden die Datensätze vom Google-Server bereitgestellt.
Ruft ein Besucher die jeweilige Webseite im Internet-Browser auf, kommt es zu einem Datenaustausch. Google selbst schreibt dazu: „Die Google Fonts-API protokolliert die Details der HTTP-Anfrage einschließlich des Zeitstempels, der angeforderten URL und aller HTTP-Header (einschließlich Verweis-URL und User-Agent-String), die in Verbindung mit der Verwendung der CSS API bereitgestellt werden. IP-Adressen werden nicht protokolliert.“ Quelle: https://developers.google.com/fonts/faq , 06.10.2022
Am 20.01.2022 kam es zu einem wegweisenden Urteil durch das Landgericht München I (Az. 3 O 17493/20). Mit der Entscheidung bestätigte das LG den Unterlassungsanspruch gegen die Übermittlung der IP-Adresse eines Website-Besuchers an Google im Rahmen der Nutzung von Google Fonts. Hinsichtlich des gestärkten Datenschutzes sahen die Richter am LG München I da ein Problem: beim Besuch der Seite bzw. beim Herunterladen der Schriftarten wird die IP-Adresse des Website-Nutzers an den Server von Google in die USA übermittelt.
IP steht für „Internetprotokoll“ und es gibt zwei Arten zu unterscheiden: die dynamischen bzw. die festen IP-Adressen. Ob eine IP-Adresse ein personenbezogenes Datum darstellt, war zuvor bereits in Entscheidungen durch den BGH begründet worden. Mit dem aktuellen Gerichtsurteil des Landgerichts München I ist aufgrund der Deutung der IP-Adresse als personenbezogenes Datum Unterlassungsanspruch gegen die Übermittlung gegeben.
Zusätzlich hatte das LG München I dem „geschädigten“ Besucher der Website einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 100 EUR zugesprochen. Laut des Artikels 82 der DSGVO steht dies jeder Person zu, „der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist“. Ob tatsächlich von einem Schaden die Rede sein kann, wird weiterhin heiß diskutiert. Ebenfalls diskutabel ist die Abmahnwelle, die auf das Urteil im Januar folgte. Bereits seit einigen Monaten werden selbst kleine Unternehmen wie Handwerker und Friseure für die problematische Einbindung von Google-Fonts auf ihrer Webseite abgemahnt.
Ein Mitglied unseres Vereins erhielt zuletzt eine solche Abmahnung, Stichwort Persönlichkeitsverletzung Datenschutz „Google Fonts“. In diesem vorliegenden Abmahnschreiben durch den Rechtsanwalt Kilian Lenard (Berlin) im Auftrag der IG Datenschutz wird unserem Mitglied vorgeworfen, dass mit der Verwendung von Google Fonts die IP-Adresse des Besuchers an Google in die USA weitergeleitet wird.
Diese unerlaubte Weitergabe der IP-Adresse durch unser Mitglied an Google soll eine Verletzung der allgemeinen Persönlichkeitsrechte der IG Datenschutz darstellen. RA Kilian Lenard schreibt, dass keine Einwilligung vorliegen würde. Um die Angelegenheit außergerichtlich zu klären, soll unser Mitglied die Summe von 170,00 EUR überweisen.
Es handelt sich bei der Webseite um eine internationale .COM Domain. Wir beurteilen die Abmahnung aus unterschiedlichen Gründen kritisch und stellen uns die Frage, ob und wie sich die Interessengemeinschaft Datenschutz in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt fühlt. Die betreffende Internetseite unseres Mitglieds ist in der persischen Sprache (Farsi) verfasst und richtet sich nicht an deutschsprachige Besucher. Das lässt die Vermutung zu, dass es sich bei dieser Abmahnung um eine automatisierte Abfrage eines Crawlers handelt, ungeachtet vom Inhalt der Seite. Zumindest haben wir keine Erklärung, was ein deutscher Datenschützer auf einer persischen Webseite mit Infos zu Arbeitsvisa sucht. Fraglich ist auch, ob die DSGVO anwendbar ist.
Zumindest ist dies zuletzt bereits bei einer anderen Abmahnung vermutet worden, über die das Online-Portal Salzburg24 in ihrem Beitrag „Auch Hildegard von Bingen erhielt Brief vom Anwalt“ berichtet. Hildegard von Bingen ist seit 840 Jahren tot und demnach liege der Verdacht nahe, dass die Websites durch eine automatisierte Vorgangsweise nach Einbindung von Google-Fonts gesucht werden. Könnte es sich bei der Hildegard von Bingen-Abmahnung um einen gewerbsmäßigen schweren Betrug oder eine gewerbsmäßigen schweren Erpressung handeln? Möglich ist es.
Die Interessengemeinschaft Datenschutz setzt sich laut eigener Aussage für „Datenschutz und die Privatsphäre Im Internet ein“. Die IG Datenschutz soll aus „Menschen verschiedener Berufe und Alters“ bestehen, im Impressum findet sich der Name Martin Ismail. Herr Ismail beauftragte den Rechtsanwalt Kilian Lenard mit der vorliegenden Abmahnung.
Es sollen im Auftrag durch Martin Ismail zahlreiche Abmahnschreiben für die IG Datenschutz im Umlauf sein. Betreiber von Webseiten, auf denen die Google-Fonts nicht datenschutzkonform eingebunden sein soll, werden aufgefordert, eine Summe in Höhe von 170 EUR zu zahlen. Es stellt sich die Frage, wie Martin Ismail diese Überzahl an Webseiten besuchen und bewerten kann, die laut seiner Aussage die allgemeinen Persönlichkeitsrechte durch die Datenweitergabe verletzten sollen.
Es ist wahrscheinlich, dass einige Webseitenbetreiber eine Abmahnung aufgrund des Datenschutzproblems mit Google-Fonts erhalten werden. Auftraggeber können die IG Datenschutz aus Hannover sein, aber auch andere Absender sind in Erscheinung getreten.
Betroffenen Webseitenbetreiber sollten die eigene Internetseite umgehend rechtskonform gestalten. Das funktioniert zum Beispiel durch eine direkte Einbindung der Schriftarten auf dem eigenen Server, Stichwort Lokales Hosting. Alternativ lässt sich eine vorherige (!) Einwilligung durch den Nutzer einholen.
Ob die behaupteten Ansprüche und insbesondere ein Anspruch auf Schadenersatz bestehen, lässt sich nicht ohne Prüfung beurteilen. Empfänger einer Abmahnung sollten die oft beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht unterschreiben und zurücksenden.
Wir bieten eine Prüfung und Einschätzung der Abmahnung durch unsere angeschlossenen Rechtsanwälte. Zahlreiche Unternehmer und Selbständige sind Mitglied unseres Vereins und können sich auf die tatkräftige Unterstützung durch unsere Anwälte verlassen. Nehmen Sie Kontakt auf!
Verbraucherdienst e.V. – Telefon: 0201-176790
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