Landgericht Berlin, 04.09.2023
Az.: 83 S 5/22
2 C 233/21 AG Pankow
In dem Berufungsverfahren zwischen der Marber GmbH (Klägerin und Berufungsbeklagte) und einem Mitglied (Beklagte und Berufungsklägerin) unseres Vereins vor dem Landgericht Berlin kam es leider zu einer negativen Entscheidung. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Pankow vom 09.02.2022 wurde abgewiesen.
Gewerbedatenbank.org – Formulare führen zu teuren Verträgen
Hausmeistertätigkeiten, Umzüge, Garten- und Landschaftsbau, Markt- und Meinungsforschung und auch das Gestalten von Internetauftritten – all dies und mehr soll laut eines aktuellen Handelsregisterauszugs die Firma Marber GmbH anbieten. Besonders letztere Dienstleistung ist uns bekannt, schließlich betreibt das Unternehmen aus Recklinghausen das Firmenverzeichnis Gewerbedatenbank.org.
Einträge in diesem Verzeichnis kommen durch das Rücksenden von unterschriebenen Formularen zustande. Gewerbetreibende, die in keiner Geschäftsbeziehung zur Marber GmbH stehen, werden durch diese schriftlich kontaktiert. Ein Formular soll ausgefüllt und unterschrieben zurück an die Marber GmbH gesandt werden. Es kommt damit zum Vertragsschluss zwischen zwei den beiden Geschäftspartnern, bei denen kein Widerrufsrecht vorgesehen ist.
Nützlichkeit der Gewerbedatenbank fraglich
Die besagten Einträge auf Gewerbedatenbank.org sind simpel gehalten. Ein „Firmeneintrag“ umfasst kaum mehr als den Namen und Kontaktdaten. Uns erstaunte, dass wir bei unserer Recherche die Firma Marber GmbH selbst nicht in der Gewerbedatenbank.org finden konnten. Aufgrund des breiten Angebots der Dienstleistungen hätten wir da mehr erwartet.
Die Nützlichkeit der Gewerbedatenbank beurteilen wir kritisch. Eine Suche mit Google liefert schneller und umfangreichere Daten zur gesuchten Dienstleistung oder Firma. Darüber hinaus werden für den hohen Preis in Höhe von mehr als 900 EUR jährlich keine zusätzlichen Infos dargestellt, wie z.B. Fotos oder eine Anfahrtsbeschreibung. Ein möglicherweise erhoffte Werbeeffekt oder gar neue Kundschaft dürften ausbleiben.
Verärgerte Gewerbetreibende, die sich teilweise getäuscht fühlen, teilten uns ihren Ärger mit. Eine Unternehmerin meldete sich bei uns, um sich gegen die hohen Rechnungen der Marber GmbH zu wehren.
AG Pankow entscheidet zugunsten Marber GmbH
Die Marber GmbH klagte gegen eine Gewerbetreibende. Mit Hilfe des uns angeschlossenen Rechtsanwalts wurde am 09.02.2022 der Rechtsstreit vor dem Amtsgericht Pankow geführt. Ausführlich legte die Beklagte dar, warum sie eine arglistige Täuschung vermutet, doch letztendlich entschied das AG Pankow zugunsten der Klägerin Marber GmbH. Begründet wurde die Entscheidung damit, dass es zu einem gültigen Werkvertrag zwischen den beiden Geschäftspartnern gekommen sei.
Landgericht Berlin bestätigt das Urteil
Es kam zum Berufsverfahren vor dem Landgericht Berlin. Leider wurde die Berufung zurückgewiesen. Das Gericht führt unter anderem aus, dass die Kostenhinweise auf dem Formular deutlich erkennbar gewesen sein sollen. Die Beklagte hätte davon ausgehen müssen, dass es keine „kostenfreien“ vergleichbaren Angebote gibt. Wenn, dann werden nur alternative Finanzierungsmodelle genutzt, wie z.B. Werbung oder Datenhandel.
Ohnehin stand die Erfüllung des Werkvertrags im Mittelpunkt der Begründung. Ob die Datenbank der Marber GmbH für die Geschäftspartner einen Nutzen aufweist war für die Gerichte nicht entscheidend.
Unsere Meinung:
Wir möchten an dieser Stelle die eben besprochenen Entscheidungen auf Basis der Erfahrungen unserer betroffenen Mitglieder beurteilen und unsere eigene Sicht und Eindrücke mitteilen.
Die Marber GmbH macht es sich einfach. Sie verschickt Schreiben an Gewerbetreibende und hofft auf die Rücksendung von unterschriebenen Formularen. Kommt tatsächlich eins zurück, werden die Daten in der Gewerbedatenbank hochgeladen – und eine hohe Rechnung folgt: 980 EUR jährlich für ein paar Zeilen Text.
Wir betiteln dieses Geschäftsmodell als „Wenig Leistung, hohe Kosten“ oder gar Wucher. Wie bereits kommentiert, scheinen es die Richter am AG Pankow und dem LG Berlin anders zu sehen. Sie sahen primär nur die Erfüllung eines Werkvertrags als entscheidend an. Ob das Ergebnis „nützlich“ sei, spielt höchstens eine untergeordnete Rolle.
Stattdessen wird darauf hingewiesen, dass eine Sorgfaltspflicht bei Geschäften gilt. Sprich: Unternehmer sollten genau lesen, was unterschrieben werden soll.
Unter welchen Umständen die Verträge zustande kommen, scheint für die Richter unerheblich zu sein, schließlich handelt es sich um Werkverträge zwischen Unternehmern. Ob bei der Kontaktaufnahme durch die Betreiber des Branchenverzeichnisses wage oder gar zweifelhafte Informationen vermittelt werden, wie zum Beispiel der kaum merkliche Hinweis, dass es sich um einen Auftrag bzw. Angebot handelt, ist zum Nachteil der Betroffenen irrelevant.
Besonders für junge Unternehmen, sprich sogenannte Start-Ups, ist die Gefahr groß, ungewollte und kostenintensive Verträge abzuschließen, weil sie durch das Auslassen von Informationen möglicherweise bewusst zur Unterschrift verleitet werden. Laut unseren Informationen sollen insbesondere Unternehmer kontaktiert worden sein, die neu im offiziellen Handelsregister eingetragen wurden. Der Nutzen eines Firmeneintrags in der Gewerbedatenbank ist in vielen Fällen fragwürdig, besonders durch die Existenz des offiziellen Handelsregisters.
Das Landgericht Berlin unterstreicht mit der Rückweisung der Berufung den Eindruck, dass letztlich nur die gesetzte Unterschrift entscheidet. Ob damit weiterhin Firmen Tür und Tor geöffnet wird, um weiterhin mit geringen Aufwand dutzende Formulare verschicken, bleibt abzuwarten. Die eintreffenden Rückmeldungen bei Problemen mit Branchenverzeichnissen zeigen uns jedoch, dass es leider keine Seltenheit ist.
Wir hoffen, dass bei zukünftigen Entscheidungen berücksichtigt wird, unter welchen Umständen der Kontakt zwischen den Geschäftspartnern entsteht. Wünschenswert wäre, dass Offerten generell einen klaren verbindlichen Hinweis wie „Angebot“ haben müssen und sich die Anbieter nicht „Register“ nennen dürfen, um Verwechslungen mit dem offiziellen Handelsregister zu vermeiden. Solange aber die Gesetzgeber oder die Gerichte Betreibern von Firmenverzeichnissen keine Schranken und Grenzen aufweisen, wird sich dieses Ärgernis nicht ändern.
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